Neutralität kurz erklärt

Was bedeutet „neutral”?

Das Wort “neutral” kommt aus der lateinischen Sprache und bedeutet in etwa “weder noch”. Man kann das von einigen Dingen sagen, wie etwa Farben oder Geschmäckern. In der Politik und insbesondere bei Streitigkeiten bedeutet neutral sein sich zu Streitparteien gleich zu verhalten und nicht aktiv Partei zu ergreifen. Das heisst nicht unbedingt, dass man keine Meinung zu diesem Kampf hat und sie auch äußert, man beteiligt sich nur nicht daran.

Was bedeutet „Neutralität“?

In der internationalen Politik, also bei den Beziehungen zwischen Staaten, bedeutet Neutralität eines Staates, dass er sich nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen anderer beteiligt. Neutralität kommt also immer dann ins Spiel, wenn ein bewaffneter Konflikt oder ein Krieg stattfindet.

Was darf ein neutraler Staat?

Ein neutraler Staat darf mit allen Kriegsparteien weiter Beziehungen unterhalten, Handel betreiben, allerdings nicht ungleichmäßig und nicht mehr als vor dem Krieg; er darf Staatsangehörige der Krieg führenden Parteien auf sein Gebiet lassen (zum Beispiel Flüchtlinge, Verletzte), sofern sie nicht den Streitkräften angehören oder bewaffnet sind. Er darf sich offiziell zu den kriegerischen Auseinandersetzungen äußern, etwa auch Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen kriegsrechtlicher Pflichten kritisieren, das dürfen auch seine Medien.

Was darf ein neutraler Staat nicht?

Ein neutraler Staat darf nicht Streitkräfte der Kriegsparteien in oder durch sein Territorium (Erde, Luft, Wasser) ziehen lassen, ihnen Unterschlupf/Rückzugsmöglichkeiten bieten, sie verpflegen oder einseitig ausrüsten, ihnen logistische Hilfe (Aufklärung, Spionage) zur Verfügung stellen. Schließlich darf ein neutraler Staat nicht eigene Staatsbürger zur Teilnahme am Krieg entsenden und ausrüsten.

Was muss ein neutraler Staat?

Ein neutraler Staat muss dafür sorgen, dass Streitkräfte der Krieg führenden Länder sein Gebiet nicht benützen können, um gegeneinander aufzumarschieren, oder zu kämpfen. Er muß daher “mit allen zu Gebote stehenden Mitteln” dies verhindern. Das sind in der Regel – aber nicht nur - militärische Mittel. Was jeweils “zumutbar” oder welche zu Gebote stehenden Mittel möglich und sinnvoll sind, ist naturgemäß nicht genau festgelegt. Aber wie bei den meisten politischen Dingen kommt es entscheidend darauf an, ob politisch glaubhaft agiert wird.

Darf ein neutraler Staat die Politik eines anderen Staates oder eine Krieg führende Partei kritisieren?

Ja, das darf er. Neutralität ist nicht ideologisch oder moralisch zu verstehen. Es kann aber aus neutralitätspolitischen Gründen klug sein, nicht allzu laut Kritik zu üben (beispielsweise hat sich die Schweiz im Zweiten Weltkrieg gegenüber Deutschland so verhalten).

Was dürfen die Krieg führenden Parteien gegenüber dem neutralen Staat?

Sie dürfen erwarten, dass der neutrale Staat die Verpflichtungen einhält, die sich aus diesem Status rechtlich ergeben. Wenn er sich nicht an seine Verpflichtungen hält kann es passieren, dass er von der einen oder anderen Partei wie ein Kriegsteilnehmer behandelt, also zum Beispiel angegriffen wird.

Ist es unsolidarisch, neutral zu sein?

Staaten, die gerne Mitkämpfer an ihrer Seite hätten, werden das unter Umständen so sehen oder behaupten, vor allem unter Hinweis auf Gräueltaten, die von der “anderen” Konfliktpartei begangen wurden. Zumeist werden aber im Krieg Gräueltaten auf allen Seiten begangen. Wenn dann immer weitere Staaten eingreifen, kann die Lage nur weiter eskalieren, was zu weiteren Gräueltaten führt. Solidarität, eines der Prinzipien der EU (wie Supra-Nationalität, Rechtstreue, Subsidiarität etc.), kann man als neutraler Staat etwa auch durch humanitäre Hilfe für alle Opfer zeigen.

Was bedeutet „immerwährende Neutralität“?

Das ist das - in der Regel gegenüber der Staatengemeinschaft – abgegebeneVersprechen eines Staates, nicht nur in einem, gerade stattfindenden Konflikt neutral zu bleiben, sondern auch in allen möglichen künftigen. Man verspricht also, jetzt und für alle Zeiten in keine Kriege einzutreten, keine Kriege zu führen, außer zur legitimen Selbstverteidigung. Diese Art von Versprechen kann zum Beispiel Ergebnis lange währender Kriege (Beispiel Schweiz, Anfang des 19. Jahrhunderts) oder Vereinbarungen mächtiger Nachbarn über den Kopf kleinerer Staaten hinweg (Beispiel Belgien) oder eigener Beurteilung der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen (Beispiel Österreich 1955) sein.

Welche Staaten sind derzeit „immerwährend neutral”?

Es sind das – völkerrechtlich verbindlich – die Schweiz, Österreich und Turkmenistan. Alle anderen sind nur politisch neutral oder allianzfrei, können also diesen Status jederzeit ändern, etwa einem Militärbündnis wie der NATO beitreten (wie es zuletzt Finnland getan hat und Schweden anstrebt).

Können andere Staaten ein Interesse an einem immerwährend neutralen Staat haben?

Das kann in vieler Hinsicht der Fall sein. Zum Beispiel kann es als nützlich angesehen werden, wenn Gebiete nicht vom jeweiligen Gegner benützt werden können. Auf neutralem Boden kann es geheime oder offene Verhandlungen besser geben als auf dem Gebiet der am Konflikt beteiligten Staaten. Der Neutrale kann auch selbst sogenannte “gute Dienste” zur Konfliktlösung anbieten und sich so als nützlich erweisen.

Wurden wir zur immerwährenden Neutralität gezwungen?

Manchmal wird behauptet die (vormalige) Sowjetunion habe dies verlangt und gegen den Willen auf österreichischer Seite und gegen die Interessen des Westens durchgesetzt. Es gab im Vorlauf zum Staatsvertrag (Mai 1955) zwischen Österreich einerseits und den Besatzungsmächten (Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, Vereinigte Staaten) andererseits mit dem “Moskauer Memorandum” (April 1955) tatsächlich eine politische, unverbindliche österreichische Absichtserklärung, nach Ende der Besatzung staats- und völkerrechtlich immerwährend neutral zu werden. Das war der sowjetischen Seite sicher recht, eine Bedingung für den Staatsvertrag und das Ende der Besatzung war es aber nicht.

Was steht im Verfassungsgesetz zur unseren Neutralität?

Das am 26. Oktober 1955 im Nationalrat beschlossene Verfassungsgesetz lautet:
Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.

Ist die immerwährende Neutralität Teil unserer Identität?

Die immerwährende Neutralität war in der Zeit des Kalten Krieges sehr erfolgreich. Sie ist mit dem Aufschwung, den Österreich genommen hat, und vielen internationalen Erfolgen und dem Ansehen unseres Landes in der Welt eng verbunden. Diese positive Erfahrung hat die Österreicher von ihrer Nützlichkeit überzeugt. Heute befürworten über 80% der Bevölkerung ihre Beibehaltung. Man kann daraus schließen, dass die Neutralität Teil unserer Identität geworden ist.

Bleibt immerwährende Neutralität immer gleich?

Das Neutralitätsgesetz bestimmt, dass Österreich keinem militärischen Bündnis beitreten wird und keine militärischen Stützpunkte fremder Staaten auf unserem Staatsgebiet zulassen wird. Diese Bestimmungen bleiben immer gleich. Die Neutralität kann, ja soll auf unterschiedliche politische Entwicklungen und neue Herausforderungen flexibel reagieren. Es ist die Kunst der Neutralitätspolitik, sich dabei so zu verhalten, dass die Neutralität insgesamt glaubwürdig bleibt.

Was ist Neutralitätspolitik?

Ein neutraler Staat sollte schon in Friedenszeiten, wenn kein „Neutralitätsfall“ vorliegt oder droht, seine Außenbeziehungen, bilateral und multilateral, zu anderen Staaten so gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit, in einen Krieg hineingezogen zu werden, möglichst gering bleibt und sein Status als glaubwürdig und nützlich gesehen wird. Zum Beispiel könnte er, je nach Lage und Möglichkeit, Kapazitäten für friedliche Konfliktbearbeitung entwickeln und anbieten. Eine solche Politik ist im Grunde eine verpflichtende Aufgabe zur Festigung der Nützlichkeit der immerwährenden Neutralität für den internationalen Frieden.

Welche Neutralitätspolitik hat Österreich betrieben und/oder betreibt es aktuell?

Während des Kalten Krieges und darüber hinaus hat Österreich sich verpflichtet gefühlt oder es jedenfalls für angezeigt erachtet, dem Status der immerwährenden Neutralität in seinen außenpolitischen Beziehungen und Aktionen einen hohen Stellenwert einzuräumen. Es hat Entspannung, Abrüstung und Rüstungskontrolle, vertrauensbildende Maßnahmen, Völker- und Menschenrecht stärkende Verträge, heikle bilaterale Verhandlungen, multilaterale Organisationen, Konferenzen und Abkommen gefördert, anberaumt und beworben - natürlich oft im Zusammenwirken mit anderen Staaten. Besonders engagierte Neutralitätspolitik betrieb Österreich imVerlauf der Europäischen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) in den 70-er und 80-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und als Truppensteller für friedenserhaltende UN- Operationen („Peacekeeping“). Gemäß aktuellem Regierungsprogramm ist Neutralitätspolitik ein „eigenständiger Beitrag Österreichs zu Frieden und Sicherheit in Europa ….und in der Welt“.

Was ist der Unterschied zwischen immerwährender Neutralität, Allianzfreiheit und Blockfreiheit?

Immerwährende Neutralität ist ein völkerrechtlich bestimmter Status, mit Pflichten und Rechten auf Seiten des neutralen Staates und aller übrigen. Allianzfreiheit und Blockfreiheit sind faktische politische Grundsätze der Staaten, die keinem Militärpakt angehören und dies auch nicht wollen. Alle neutralen Staaten können aber nicht-militärischen Zusammenschlüssen, Allianzen, Organisationen angehören, beispielsweise der UNO oder der OSZE.

Was sind militärische Zusammenschlüsse von Staaten und welche gibt es derzeit?

In der Geschichte gab es immer wieder bilaterale Militärabkommen (beispielsweise Nichtangriffs- oder Beistandspakte) zwischen je zwei Staaten, und solche, an denen gleich mehrere Staaten beteiligt waren (größere Allianzen, meist gegeneinander gerichtet). Friedlichen Zwecken dienten sie de facto kaum, im Gegenteil. Derzeit gibt es – nach der Implosion der Sowjetunion und der Auflösung des von ihr angeführten “Warschauer Paktes”, 1991 - nur mehr zwei größere derartige Zusammenschlüsse: die aus 30 europäischen und nordamerikanischen Staaten bestehende NATO (North Atlantic Treaty Organisation, seit 1949) unter Führung der USA und die aus 6 osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten bestehende OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, seit 2002) unter Führung Russlands.

Wäre es nicht besser für unsere Sicherheit, bei einem Militärbündnis wie der NATO dabei zu sein?

Die NATO wurde 1949 als Verteidigungsbündnis westlicher Staaten gegründet, um der kommunistischen Sowjetunion und ihrer Absicht, den Einflussbereich des kommunistischen Systems weiter auszuweiten, entgegenzutreten. Mit dem Zerfall des Warschauer Paktes und der Sowjetunion ist diese Aufgabe der NATO weggefallen. Ab 1990 hat sich die NATO darauf vorbereitet, auch auf Bedrohungen der Sicherheit außerhalb des Bündnisgebietes zu reagieren („out of area“). Die „NATO neu“ engagiert sich im Einklang mit der Sicherheitsstrategie der USA nunmehr weltweit militärisch.
Als Mitglied der NATO wäre Österreich automatisch Partei und legitimes Angriffsziel, falls es zu Kriegshandlungen kommen sollte. Als kleines Land hätte Österreich kaum Einfluss auf die von den USA dominierte NATO. Die Partnerschaft für den Frieden (PfP), an der Österreich seit 1995 teil nimmt, bietet die Möglichkeit mit der NATO zu kooperieren.

Wie sicher ist Österreich?

Österreich war während der Zeit des „Kalten Krieges“ an der Nahtstelle zwischen dem transatlantischen Bündnis NATO und dem durch die Sowjetunion geführten Bündnis des Warschauer Pakts Nach dem Zerfall des Warschauer Pakts und der Sowjetunion hat sich die Situation Österreichs von einer exponierten Randlage zu einer günstigeren Lage entwickelt, da es von befreundeten EU-Staaten und der neutralen Schweiz, sowie Liechtenstein umgeben ist. Trotz dieser für Österreich vorteilhaften Entwicklung ist es klug, sich vorausschauend auf mögliche Bedrohungen umfassend vorzubereiten.

Ist Österreich militärisch bedroht?

Für militärische Bedrohungen, die direkt gegen Österreich gerichtet sind, gibt es derzeit keine Anzeichen. Die überwiegende Zahl der Gefahren ist laut Analysen des Bundesministeriums für Landesverteidigung, die auf der Homepage des Bundesheeres (bundesheer.at) in der Rubrik Verteidigungspolitik öffentlich zugänglich sind, nicht militärischer Natur. Konflikte und Kriege in anderen Regionen können allerdings konkrete Auswirkungen auf Österreich haben. Der aktuelle Krieg in der Ukraine ist dafür ein drastisches Beispiel. Eine militärische Bedrohung wäre im Falle eines Krieges zwischen Russland und NATO vor allem aus der Luft durch Raketen und Drohnen gegeben. Österreich ist für die Verteidigung des Luftraums nicht ausreichend gerüstet und muss diesen Mangel vordringlich beheben.

Wie kann sich Österreich auf Bedrohungen vorbereiten?

In der Bundesverfassung ist das Bekenntnis zu einer „Umfassenden Landesverteidigung“ (ULV) festgeschrieben. Auf Bedrohungen, die viele Bereiche des gesellschaftlichen und politischen Zusammenlebens betreffen, ist es sinnvoll, umfassende Antworten zu geben. Solche Antworten müssen erfolgen, in ihren Zusammenhängen erkannt und daraus Maßnahmen zur Vorsorge und letztlich auch zur Verteidigung vorbereitet werden. ULV ist daher der Überbegriff für die vier Teilbereiche: Militärische Landesverteidigung, Wirtschaftliche Landesverteidigung, Zivile Landesverteidigung und Geistige Landesverteidigung. In der Zeit des Kalten Krieges hat Österreich einen Landesverteidigungsplan für die ULV erarbeitet, der vom Parlament 1983 beschlossen wurde. Dieser Plan wurde nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes nicht weiter verfolgt und ist inzwischen nicht mehr aktuell. Eine umfassende Vorsorge zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit unseres Landes in Krisen ist ein wichtiges Anliegen, mit dem sich die Politik im Gefolge der eingetretenen Entwicklungen neuerlich befassen muss.

Kann uns das Bundesheer schützen?

Österreich hat für die Verteidigung im Vergleich zu anderen Staaten viel zu wenig finanzielle Mittel aufgewendet. Der Krieg in der Ukraine hat zu einem Umdenken geführt. Das Bundesheer soll in einem längerfristigen Aufbauplan befähigt werden Österreich gegen die wahrscheinlichsten Bedrohungen zu schützen. Wichtig ist dabei, dass die europäischen Staaten unsere Vorbereitungen für glaubwürdig befinden. Die militärischen Fähigkeiten der Schweiz können dafür als Messlatte herangezogen werden.

Sind neutrale Staaten „Trittbrettfahrer“?

Gelegentlich wird behauptet, neutrale Staaten profitieren als eine Art schmarotzerischer Nutznießer von den militärischen Fähigkeiten, die andere entwickeln und bereit halten. Ein immerwährend neutraler Staat wie Österreich muss selbstverständlich zur Selbstverteidigung befähigt sein. Die Schweiz verfügt über vergleichsweise hoch entwickelte militärische Kapazitäten. letztlich liegt es in der Eigenverantwortung des immerwährend neutralen Staates wie er seine Selbstverteidigung organisiert. Er muss jedoch sicherstellen, dass im Kriegsfall andere Staaten sein Territorium nicht für Kriegshandlungen nutzen können. Ein wichtiger Beitrag für die internationale Sicherheit ist auch die Teilnahme an Maßnahmen kollektiver Sicherheit, wie sie der Sicherheitsrat der UNO verfügen kann. Österreich hat sich seit 1960 als wichtiger Truppensteller für die UNO bewährt. Im Übrigen sind letztlich alle Staaten verwundbar und auf andere angewiesen, auch solche die nicht neutral sind.

Darf ein immerwährend neutraler Staat Mitglied der EU sein?

Lange Zeit galt die Mitgliedschaft in einem auf Aufgabe nationaler (wirtschaftlicher und sonstiger) Souveränität ausgerichteten Staatenbündnis wie der heutigen Europäischen Union als mit dem Status eines immerwährend neutralen Staates unvereinbar, da es uU nicht (mehr) möglich wäre, international ausreichend eigenständig zu agieren. Von dieser Auffassung ist man in Österreich in den letzten 30 Jahren abgegangen und hat beim Beitritt auch keinen „Neutralitätsvorbehalt“ deponiert. Die Neutralität wird nun auf die Verpflichtungen aus dem Neutralitätsgesetz beschränkt.

Macht die EU auch Aussenpolitik?

1993 wurde im Vertrag von Maastricht eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eingerichtet. Seither betreibt die EU eine europäische Nachbarschaftspolitik gegenüber Staaten im Osten und Süden, Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Außenhandelspolitik. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ist seit ihrer Einrichtung ein integraler Bestandteil der GASP. Die Kommission unterhält ein umfangreiches Netzwerk diplomatischer Vertretungen in aller Welt und einen „Außenbeauftragten“ („Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“). Für ihre Bemühungen um Frieden hat die EU 2012 den Friedensnobelpreis erhalten.

Kann Österreich dabei mitwirken?

Prinzipiell kann ein immerwährend neutraler Staat bei der GASP der EU mitwirken. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung dieser Mitwirkungsmöglichkeit/-verpflichtung wurde 1998 vom Nationalrat Art 23j in die österreichische Verfassung eingefügt. Demgemäß darf sich Österreich am europäischen Krisenmanagement beteiligen, das u.a. Sanktionen und militärische Einsätze vorsieht. Beteiligungen militärischer Art bedürfen jedoch des „verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens“. Laut Sicherheitsstrategie aus 2013 ist die Sicherheit des neutralen Österreich und der EU heute „weitestgehend miteinander verbunden“.

Macht die EU auch Verteidigungspolitik?

Im EU Vertrag von Lissabon ist die GSVP seit 2007 rechtlich verankert. Die EU beschäftigt sich seit 2000 mit der Entwicklung militärischer Fähigkeiten, vor allem für den Einsatz zu Stabilisierung von Krisen. Die NATO-Staaten der EU (23 der insgesamt 27 Mitgliedsstaaten) sehen ihre Verteidigung im Rahmen der NATO verwirklicht. Zwischen EU und NATO bestehen enge Verbindungen und Kooperationsabmachungen. Gemäß der formellen „Partnerschaft“ der beiden Organisationen kann die EU bei Bedarf NATO-Mittel nutzen.

Darf Österreich dabei als immerwährend neutraler Staat in der GSVP mitmachen?

Es kann bei der Vorbereitung militärischer Kräfte für künftige Einsätze teilnehmen, um sicher zu stellen, dass das Bundesheer im Bedarfsfall zu gemeinsamen Einsätzen befähigt ist. Kommt es zu Einsätzen, kann Österreich nur mitwirken, wenn der Einsatz vom UN-Sicherheitsrat autorisiert wird. Beschlüsse zur GSVP müssen einstimmig erfolgen. Österreich kann daher Beschlüsse verhindern, die mit der Neutralität nicht vereinbar sind. Will Österreich andere EU-Staaten an Zwangsmaßnahmen nicht behindern, kann es sich der Stimme enthalten und die sogenannte „Irische Klausel“ in Anspruch nehmen. Diese Vertragsklausel besagt, dass der besondere Status von Staaten bei der Bereitstellung von militärischen Fähigkeiten berücksichtigt werden muss. Dies gilt auch für den Fall, dass die in Art.42/7 der EU-Verfassung vorgesehene „Beistandspflicht“ schlagend wird. Beschränkungen, die sich aus der Neutralität ergeben, sind zu berücksichtigen. Im Übrigen gibt es andere als rein militärische Mittel, einem angegriffenen Land beizustehen und/oder Konflikte zu bearbeiten

Gibt es eine internationale Organisation, in der die Konflikte zwischen Ost und West besprochen oder gelöst werden könnten?

Neben dem Europarat ist es vor allem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der 57 Staaten aus Amerika, Europa und Asien vertreten sind. Die OSZE ist ein System kooperativer Sicherheit, in dem Sicherheit unteilbar und Anliegen aller Teilnehmerstaaten ist. Kein Staat soll Handlungen setzen, die eine Gefährdung der Sicherheit für andere Staaten darstellen. Die OSZE beschäftigt sich mit drei Themenbereichen der Sicherheit: der politisch-militärischen Dimension, der Wirtschafts- und Umweltdimension und der humanitären Dimension, bei der die Menschenrechte im Vordergrund stehen. Sie unterhält ein Netzwerk von Missionen unter anderem in Krisengebieten. Die OSZE kränkelt schon länger und scheint durch den Krieg in der Ukraine derzeit lahm gelegt.

Welche Rolle spielt Österreich als immerwährend neutraler Staat in der OSZE?

Österreich ist der Sitzstaat der Organisation und hat an ihrem Aufbau aktiv mitgearbeitet. Österreich hat großes Interesse, dass die OSZE wiederbelebt wird und durch vertrauensbildende Maßnahmen die Entstehung von Konflikten möglichst verhindert.

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