Appell an die Bundesregierung und das Parlament, die immerwährende Neutralität zu wahren und für eine engagierte Friedenspolitik zu nutzen

In jüngster Zeit häufen sich Vorschläge, die seit Jahrzehnten bewährte Neutralität Österreichs aufzuweichen oder abzuschaffen. Die immerwährende Neutralität erlaubte es Österreich, in der internationalen Gemeinschaft eine nützliche Rolle zu spielen. Sie ist Teil der österreichischen Identität und wird von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Die Unterzeichnerinnen und die Unterzeichner dieses Appells erinnern an ihren Nutzen, besonders in einer Zeit zunehmender Unsicherheit.

  1. Die Neutralität ist eine politische Grundhaltung, die in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen die Androhung oder Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen für immer ablehnt. Sie ist eine freiwillige Selbstverpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung. Das unterscheidet die immerwährende von der temporären Neutralität, die sich nur an sicherheitspolitischen Erwägungen orientiert.
  2. Die Neutralität verringert das Risiko, in einen Krieg hineingezogen zu werden. Um sich glaubwürdig aus Kriegen heraushalten zu können, muss Österreichs Neutralität bewaffnet sein. Österreich darf nicht als Zone der Unsicherheit wahrgenommen werden. Im Falle von Kriegen in der Nachbarschaft muss Österreich in der Lage sein, die Nutzung unseres Staatsgebiets für militärische Überflüge oder Waffentransporte der Kriegsparteien, zu verhindern. Die Umfassende Landesverteidigung ist daher so auszubauen, dass Österreich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verteidigt werden kann.
  3. Neutrale Staaten setzen sich im Rahmen einer engagierten Neutralitätspolitik im eigenen Interesse aktiv für Frieden und die friedliche Lösung von Konflikten ein. Der neutrale Staat leistet der internationalen Gemeinschaft gute Dienste und erhöht damit gleichzeitig seine eigene Sicherheit. Österreich hat im Rahmen der Diplomatie und durch den Einsatz der Blauhelme wichtige Beiträge für den internationalen Frieden geleistet.
  4. Das Engagement neutraler Staaten ist nicht wertneutral. Eine engagierte Neutralitätspolitik ist das Gegenteil von Abseitsstehen. Sie bedeutet, zu Verletzungen des Völkerrechtes und der Menschenrechte unabhängig und eigenständig Stellung zu nehmen. Damit wird Neutralität glaubhaft und nützlich für eine friedliche Konfliktlösung.
  5. Neutrale Staaten sind Orte der Begegnung. Österreich als Sitzstaat der OSZE, mit Wien als offiziellem Amtssitz der Vereinten Nationen und als Standort von 57 internationalen Organisationen hat beste Voraussetzungen dafür. Die Chancen Wiens im Schnittpunkt unterschiedlicher Kulturen, als Stätte informeller Kontakte, als Gastgeber und Förderer von Friedensgesprächen, sind aktiv zu nützen.
  6. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU darf kein Hindernis für eine aktive Friedenspolitik sein. Die EU braucht eine Stimme für den Frieden und die Rückbesinnung auf ihren Gründungsgedanken, wie er in der Präambel des Vertrages über die Europäische Union festgeschrieben ist.
  7. Die EU sollte sich den Rat George Washingtons in seiner Abschiedsbotschaft von 1796 zu eigen machen und harmonische Beziehungen mit allen Nationen aufbauen. Die friedliche Streitbeilegung, der Ausgleich von Interessen und die kooperative Sicherheit, wie sie in der OSZE angelegt waren, können als das politische Leitbild der EU dienen. Das ist ein Leitbild, das durch das neutrale Österreich innerhalb und außerhalb der EU vertreten werden sollte.

Die Unterzeichnerinnen und die Unterzeichner appellieren an die Bundesregierung und an unsere Abgeordneten zum Nationalrat, die immerwährende Neutralität kreativ und engagiert zu nützen und eine Aushöhlung ihres Kernbestandes nicht zuzulassen.

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