Zitate über die Neutralität

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich führende österreichische PolitikerInnen immer wieder zur Neutralität und ihrer Bedeutung für Österreich geäußert. Es lohnt, solche Aussagen in Erinnerung zu rufen, auch um gewissen Legenden und Missverständnissen zu begegnen. Hier folgt eine Auswahl, teilweise in verkürzter Form.

“Die Entscheidung, die wir heute treffen, bindet nicht nur uns, sondern auch unsere Kinder und Kindeskinder. Wir treffen diese Entscheidung reinen Herzens, in dem aufrichtigen Willen, durch unsere Neutralität nicht nur uns und unseren Nachbarstaaten, sondern darüber hinaus der ganzen Welt zu nützen”.

Bundeskanzler Julius Raab (ÖVP), Rede vor dem Parlament am 26. Oktober 1955

“Selbstverständlich erfolgt jede politische Entscheidung...aus geschichtlicher Situation und geopolitischer Lage….Neutralität war ein durch die historische Entwicklung geradezu vorgegebener Schritt….nicht Gesinnungslosigkeit,...kein weltpolitisches Ruhekissen...dauernde Basis für eine Außenpolitik, die unserer Heimat und unserem Volke für alle Zukunft Frieden und Wohlstand gewährleisten soll...kein Mythos...aktiv war unsere Außenpolitik schon immer, seit 1945...es gibt keine Pensionsanstalt für Staaten...ein neutraler Staat von der Größe Österreichs, der über wenig Machtmittel verfügt, kann sich nur auf seine Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit seiner Politik, auf die unbedingte Beachtung des internationalen Rechtes und den eigenen Willen auf Selbstverteidigung verlassen….kein vernünftiger Österreicher glaubt, am österreichischen Wesen werde die Welt genesen...Neutralität darf keine leere Hülse sein...verlorene Glaubwürdigkeit und verlorenes Vertrauen kann nicht über Nacht wettgemacht werden…...Neutralität ist absolut, sie ist in jeder militärischen Konfliktsituation zu beachten…”

Ludwig Steiner, ÖVP-Abgeordneter, Europäische Rundschau, “Neutralität darf keine leere Hülse sein”, 1980

„Die immerwährende Neutralität ist für Österreich nicht etwa eine einseitige, wieder abänderbare politische Maxime (wie z.B. im Falle Schwedens), sondern völkerrechtliche Verpflichtung, die dadurch entstanden ist, dass das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität allen Staaten notifiziert wurde, mit denen Österreich diplomatische Beziehungen unterhielt, und diese Staaten die Neutralität entweder ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt haben...die Rechtspflichten des dauernd neutralen Staates in Friedenszeiten ergeben sich aus den sogenannten “Vorwirkungen”.....die bereits im Frieden eine vorausschauende Neutralitätspolitik erfordern...eine solche..muß sicherstellen, dass der dauernd Neutrale bei Eintritt des Neutralitätsfalles seine neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen erfüllen kann…..“

Runderlass des BMA aus 1982

„Dass die österreichische Neutralität eine selbstgewählte, von niemandem auferlegte Verpflichtung ist und auch von Österreich allein zu verteidigen, wurde von der Bundesregierung mehrmals sehr deutlich hervorgehoben…….es zählt zu den Rechten Österreich, selbst und allein zu bestimmen, wann und wodurch seine Neutralität bedroht oder verletzt ist…….eine gemeinsame Garantieerklärung der Großmächte ist nicht erfolgt...aus seiner freiwilligen Neutralität entwickelte Österreich im Laufe der Jahre eine eigene, spezifische Variante der Neutralitätspolitik...entwickelte sich..zum klassischen Ort koexistentieller Begegnungen...Sitz großer internationaler Organisationen…..Eröffnung der “UNO-City” im August 1979….“

Bruno Kreisky (SPÖ) in “Politik braucht Visionen”, 1982

„Häufige Fehldeutungen der dauernden Neutralität Österreichs:...Österreich sei ein neutralisierter Staat….Neutralismus bedeutet ideologische Äquidistanz (in der Ost-West-Auseinandersetzung)...dauernde Neutralität..umfaßt keine Pflicht zu ideologischer Neutralität...Neutralitätspolitik ..hängt wesentlich von der politischen, strategischen und wirtschaftlichen Position des jeweiligen Landes ab...für den dauernd neutralen Staat (bestehen) schon in Friedenszeiten “Vorwirkungen”, die ebenfalls Bestandteil seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen sind…..Verbot des Abschlusses von Militärbündnissen oder des Beitritts zu solchen, Verbot des Eingehens wirtschaftlicher Bindungen, die die Einhaltung der Neutralitätspflichten unmöglich machen würden…...Führung einer angemessenen Neutralitätspolitik..jedoch in keiner Weise eine Pflicht zu einer ideologisvhen Neutralität….das Neutralitätsgesetz enthält keine erschöpfende Aufzählung der sich aus der dauernden Neutralität Österreichs ergebenden Pflichten; es beschränkt sich auf die Anführung von zwei wichtigen derartigen Verpflichtungen… Bedenken hinsichtlich einer Mitgliedschaft Österreichs bei den Europäischen Gemeinschaften...aufgrund deren Kompetenzen...völkerrechtlichen Verpflichtungen kann nur durch eine bewaffnete Neutralität entsprochen werden…“

Sprachregelung zu Fragen der österreichischen Neutralität, Prof. Karl Zemanek bzw. BMA November 1983, “gegen Fehlinterpretationen”

„….(Österreich hat) aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität erklärt…..die uns eine Außenpolitik besonderer Art ermöglicht, die dynamisch sein könnte, friedensstiftend und vertrauensbildend, ohne einmischend und moralisierend zu sein…..Neutralität hat Österreich eine zusätzliche Dimension der Handlungsfreiheit gegeben...das besondere Prestige und Image, das immerwährend neutrale Staaten österreichischen Zuschnitts nun einmal haben, ist ein Potential, das wir noch nicht ausreichend nützen...von Österreich erwartet man nicht große Pläne für den Weltfrieden, keine groß angelegten und spektakulären Vermittleraktionen, wohl aber gute Dienste, dort wo sie diskret und im Interesse aller Beteiligten angeboten werden...friedenserhaltende Maßnahmen…..“

Andreas Kohl, ÖVP-Abgeordneter 1984, Europäische Rundschau, “Alois Mock und das Bohren harter Bretter”

„….Neutralität Österreichs (ist) eine beiden Allianzen zum Vorteil gereichende Außerstreitstellung eines strategisch wichtigen Gebietes…..Verpflichtung der Kriegführenden zur Achtung der territorialen Integrität der Neutralen….(dauernde Neutralität ist) grundsätzlich einseitig nicht abänderbare völkerrechtliche Verpflichtung….ein dauernd neutraler Staat (hat) alles zu tun, damit er nicht in einen Krieg hineingezogen wird, und alles zu unterlassen, was ihn in einen Krieg hineinziehen könnte…...hat auch eine angemessene Neutralitätspolitik zu führen...konkrete Ausgestaltung obliegt ausschließlich der politischen Beurteilung des dauernd neutralen Staates…...diese Politik dient dazu, die Neutralität zu sichern und das Vertrauen dritter Staaten in ihre Aufrechterhaltung zu stärken…...bereits in der Ersten Republik..verschiedentlich Überlegungen in Richtung einer Neutralität Österreichs, ...1947 Renner (hat)…..Österreich als “neutralen Kleinstaat” bezeichnet…..Außenminister Gruber (sagte) 1952 ...“dass wir auf dem Boden der völkerrechtlichen Neutralität stehen”...1954 schlug Molotow eine Neutralisierung vor, Figl lehnte ab….Bedenken hinsichtlich einer Mitgliedschaft bei den Europäischen Gemeinschaften…..“

Helmut Türk, Leiter des Völkerrechtsbüros im BMA, vor der öst. Juristischen Gesellschaft in Linz, 7.10.1985, “30 Jahre Neutralität”

„...es ist im Interesse eines immerwährenden Neutralen, eine gewisse Zurückhaltung zu üben. Ich kann nicht neutral sein und ständig Position in einer politischen Konfliktsituation für den einen oder anderen beziehen. Das mag zwar politisch interessant sein und einen idealistischen Beigeschmack haben, aber dann darf man nicht immerwährend neutral sein…..“

Vizekanzler und Außenminister Alois Mock, Interview in der Zeitschrift INTERNATIONAL 1/87

„Die immerwährende Neutralität ...hat (Österreich) aus dem Objekt europäischer Machtpolitik...ein Subjekt, einen selbstbestimmten Akteur auf der internationalen Szene gemacht...sie bedeutet nicht nur Zurückhaltung bei der Parteinahme zu Konflikten, sondern auch aktives Engagement, etwa als Vermittler...hat uns breite Anerkennung gebracht...kann daher nicht dem Rat jener folgen, die meinen, mit der Neutralität sei es wie mit dem guten Ruf einer schönen Frau, je weniger man davon spreche, umso besser wäre er….unsere Neutralität war stets ein nach vorne gerichtetes Konzept...dient gleichzeitig den Interessen der europäischen Länder...auch der Entspannung im Ost-West-Verhältnis….Bundesregierung...bestätigt, daß sie an der traditionellen Interpretation unserer Neutralität als Sonderstatus für Fälle der zwischenstaatlichen Gewaltanwendung festhält...weitere Aufgabe bedeutet für das neutrale Österreich die humanitäre Aussenpolitik...Flüchtlings- und Asylpolitik..Eintreten für Respektierung der Menschenwürde…..Schweiz hat uns ...Aufgabe der immerwährend Neutralen vorgelebt, den Dienst an der Staatengemeinschaft, die Verfügbarkeit für Zwecke der Vermittlung, für gute Dienste, für Leistungen, die Vertrauen in die eigene Unparteilichkeit voraussetzen…

Vizekanzler und Außenminister Alois Mock, vor der Gesellschaft für Außenpolitik und der Liga für die Vereinten Nationen, 3. Dezember 1987, “Neue Herausforderungen und Aufgaben für die immerwährende Neutralität Österreichs”

„...die immerwährende Neutralität Österreichs wird keinem Wandel und keiner Anpassung unterworfen sein...(sie) ist Ausdruck unseres staatlichen Selbstverständnisses, eine Bestimmung jener Position, die wir auf Grund der Einsicht in die bestehenden internationalen Verhältnisse, in die eigene Geschichte und die eigenen Möglichkeiten einnehmen wollten und immer einnehmen wollen…..(ist) uns deshalb keine Bürde, sondern Veranwortung..nicht Einschränkung, sondern Freiheit, selbst zu bestimmen...nicht antiquiert, sondern zeitlos….eine Sache des Vertrauens….Österreichs Neutralität ist eine umfassende und eine immerwährende… „

Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) 1988 Nationalfeiertag, Rede vor dem Ministerrat

„...soll auch die Option eines EG-Betritts unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der immerwährenden Neutralität für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden….Folgen einer Abkoppelung vom europäischen Integrationsraum schwerwiegender als der Souveränitätsverlust eines Beitritts, bietet dieser doch die Möglichkeit, die Entwicklung in der Gemeinschft mitzugestalten…..Neutralität ist ja nicht primär eine Frage des Rechts sondern vor allem der Politik!….Neutralitätspolitik dient also dazu, die Neutralität zu sichern und das Vertrauen dritter Staaten in deren Aufrechterhaltung zu bestärken….keine Pflicht zur ideologischen oder Gesinnungsneutralität….niemand will am international anerkannten Status der immerwährenden Neutralität Österreichs rühren...sie ist Ausdruck unserer geographischen und politischen Lage inmitten des europäischen Kontinents
…….“

Thomas Klestil, Generalsekretär des BMA, Referat am 29. Oktober 1988 in Hollabrunn: “Neutralität und EG”

„...warum sollen wir uns jetzt, wo die Steine herumfliegen, da hinauswagen, damit sie uns ja treffen?“

Bruno Kreisky (SPÖ), März 1989, Interview, betr. Österreichs Beitritt zur EG

„...Auch die...Neutralität ist nicht an den Ost-West-Konflikt gebunden, im Gegenteil: Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass die guten Dienste Österreichs in einer Ära der Entspannung zwischen Ost und West stets zu- und nie abgenommen haben…...beide Flügel (Europas) werden auf noch sehr weite Sicht eines Mitteltrakts bedürfen, in dem sich beide Teile mit Vertrauen bewegen können….Darüber hinaus hat die Immerwährende Neutralität eine über Europa hinausgehende Verankerung gefunden...Niederlassung von Organisationseinheiten der VN….….Ziel der österrechischen Neutralität war die Unabhängigkeit Österreichs, und zwar nach allen Seiten….noch immer Bedarf nach einem unabhängigen neutralen Staat in der Mitte Europas…“

Rudolf Kirchschläger, Rede vor der Österreichisch-Deutschen Kulturgesellschaft, 28.11.1989, “Österreichs Aufgabe in Europa -Vision und Wirklichkeit”

„..Als Folge des Zusammenbruchs der kommunistischen Systeme ...hat dann die Neutralität Österreichs ihren wesentlichen Bezugsrahmen verloren…..wird sich die Außenpolitik weiterhin intensiv um...die friedliche Beilegung internationaler Konflikte sowie um die Schaffung einer dauerhaften Friedensordnung bemühen...Schlagwort “Präventivdiplomatie”…“

Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP), 16.8.1996, Standard, “Keine Angst vor der Debatte um Sicherheit”

„...Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft wird angesichts der bevorstehenden Erweiterung...”laufend beurteilt” werden, dabei wird die Beitrittsoption im Auge behalten. Es versteht sich, dass diese Option nur genutzt werden kann, wenn die dafür nötige Verfassungsmehrheit im Parlament und die Zustimmung der Österreicher bei einer Volksabstimmung gegeben sind…....Österreich ist einer Politik des Friedens verpflichtet. Es richtet daher sein Bestreben darauf aus, gewaltsame Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen. Es betreibt daher eine Sicherheitspolitik, die auf der Basis der Charta der VN…..auf Vermeidung von Krieg und auf ein friedliches Zusammenleben der Völker gerichtet ist….Österreich befürwortet eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen EU und NATO…...Verpflichtungen aus der Satzung der VN (haben) Vorrang vor den Neutralitätspflichten. Damit ist die klassische Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz nicht mehr existent….Österreich (kann) am gesamten Spektrum der sogenannten Petersberg-Aufgaben, wozu auch Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedenschaffender Maßnahmen gehören, mitwirken...Status der dauernden Neutralität nachhaltig verändert….“

Neue österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, Parlament 2001

„Die alten Schablonen – Lipizzaner, Mozartkugeln oder Neutralität – greifen in der komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts nicht mehr…“

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), Rede anlässlich des Nationalfeiertags, 26.10.2001.

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